Prof. Andreas Stahl

Prof. Andreas Stahl, Direktor Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde,
Universitätsmedizin Greifswald
Interview
Herr Prof. Stahl, in der Vergangenheit haben Erfindungen deutscher Experten der Augenheilkunde entscheidende Impulse gegeben. Welche sind für Sie auch heute noch von wegweisender Bedeutung?
Als Greifswalder Ordinarius fällt mir hier natürlich als erstes Otto Schirmer ein, der von 1896 bis 1907 den Greifswalder Lehrstuhl für Augenheilkunde innehatte und nach dem der Schirmer-Test benannt ist, den wir heute alle noch nutzen.
Wichtig ist mir persönlich aber weniger, woher eine Erfindung kommt, sondern vielmehr wieviel Nutzen sie unserem Fach bringt und auf welche Weise sie verbreitet und angenommen wird. Heutzutage sind wirklich bahnbrechende Entwicklungen ohnehin nicht einer Person oder einem Land zuzuordnen sondern sie entstehen in internationalen Kollaborationen meist über viele Jahre hinweg und unter Beteiligung zahlreicher Experten aus unterschiedlichen Disziplinen.
Sehen Sie aktuell bahnbrechende Entwicklungen in der Augenheilkunde, die mit den Erfindungen der Vergangenheit schritthalten können?
Ja, definitiv. Ich denke sogar, dass sowohl Frequenz als auch Auswirkung der modernen Erfindungen in vielen Fällen weitreichendere Auswirkungen haben, als dies früher der Fall war. Denken Sie beispielsweise an die anti-VEGF-Therapie bei Makulaerkrankungen, die lamellären Verfahren bei der Keratoplastik oder die Gentherapie retinaler Dystrophien. Solche Entwicklungen werden durch die starke Vernetzung, die wir heute in der Augenheilkunde haben, überhaupt erst möglich. Und sie werden dadurch auch viel schneller als früher an allen, oder zumindest vielen, Orten der Welt nahezu gleichzeitig verfügbar.
Sie engagieren sich in der unabhängigen Expertenkommission des Deutschen Förderprogramms für Augenheilkunde von Bayer. Wie stufen Sie selbst die Bedeutung dieses Förderprogramms ein und was ist Ihre Erwartung?
Ich hoffe, dass wir mit diesem Förderprogramm Möglichkeiten gerade für junge Wissenschaftler und wissenschaftlich interessierte Kliniker schaffen, um ihre Projektideen verwirklichen zu können. Die Bandbreite an innovativen Ideen, die ich dabei in den letzten Jahren gesehen habe, ist beeindruckend. Besonders schön zu sehen ist es, wenn Projekte, die im Rahmen des Förderprogrammes unterstützt wurden, nach Ende der Förderperiode weiterleben und sich daraus nachhaltige wissenschaftliche Karrieren und Projekte entwickeln.
Welchen Stellenwert hat die Forschung im Alltag einer heutigen universitären Augenklinik?
An universitären Kliniken muss sich die Forschung im Alltag immer im gemeinsamen Spannungsfeld mit Krankenversorgung und Lehre bewähren, die natürlich auch beide, zurecht, unsere Aufmerksamkeit, Zeit und Ressourcen fordern. Um Forschung mit translationalem Anspruch, also nah an der Klinik, verwirklichen zu können, ist es wichtig, dass Drittmittel für Forschung eingeworben werden können. Diese Drittmittel ermöglichen es, ausreichend Zeit und Ressourcen für die Forschung neben dem Klinikalltag zur Verfügung stellen zu können. Gerade für junge Wissenschaftler ist es wichtig, dass die Hürde zu einer ersten Drittmittelförderung nicht zu hoch liegt und es mit innovativen Ideen auch ohne große Vorarbeiten möglich ist, eine Chance auf Förderung zu bekommen.
Wie ist Ihre Erwartung bzgl. möglicher Innovationen innerhalb der Augenheilkunde in den kommenden fünf Jahren?
Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass die Neugier und Innovationskraft der augenheilkundlich forschenden Kolleginnen und Kollegen ungebrochen ist und wir auch in den kommenden Jahren qualitativ hochwertige und spannende Anträge beurteilen dürfen.